Kyivvodokanal fordert von den Einwohnern der Hauptstadt die Zahlung von 246,5 Millionen Griwna an Wasserschulden. Das Unternehmen behauptet, diese Mittel würden für den Kauf von Reagenzien, Strom und die Zahlung von Gehältern benötigt. Doch gerade beim Kauf von Reagenzien kam es zu einem der jüngsten Skandale.
Am 1. September meldete die Generalstaatsanwaltschaft, dass eine organisierte Gruppe das Unternehmen mit gefälschten chemischen Reagenzien beliefert habe. In den Berichten hieß es, das Unternehmen verfüge über hochwertiges Eisenchlorid-Flockungsmittel, in Wirklichkeit wurde jedoch ein billiger Ersatz geliefert, der für die Wasseraufbereitung ungeeignet sei. Der Schaden belief sich auf über drei Millionen UAH.
Und das ist kein Einzelfall. Im März 2024 hat der stellvertretende Direktor der AG „AK „Kyivvodokanal“ fast eine halbe Million Euro durch den Kauf von Asphaltbeton zu überhöhten Preisen veruntreut. Ihm wurde bereits Amtsvernachlässigung vorgeworfen.
Nach Angaben der Kiewer Staatsanwaltschaft wurden allein in den Jahren 2021 bis 2023 neun Strafverfahren gegen Mitarbeiter von Kyivvodokanal eingeleitet, mit einem Gesamtschaden von mindestens 67 Millionen UAH. Zu den Angeklagten zählen ehemalige Unternehmensmanager, Abteilungsleiter und Ingenieure sowie Beamte der Kiewer Stadtverwaltung und Geschäftspartner.
Darüber hinaus meldete die Staatsanwaltschaft im Mai 2024 neue Ermittlungen in Höhe von 322 Millionen UAH. Das heißt, diese Zahl allein übersteigt bereits den Betrag, den Kyivvodokanal derzeit aus den Schuldnern herauspressen will.
Viele Jahre lang hatte Kyivvodokanal einen seltsamen Status: Ein Teil der Anteile befand sich in den Händen privater Firmen, die mit dem Umfeld des ehemaligen Regionalführers Serhij Ljowotschkin in Verbindung standen. Erst im Mai 2024 beschloss der Kiewer Stadtrat, die PrJSC aufzulösen und die Kyivvodokanal KP mit einem genehmigten Kapital von 1,5 Milliarden UAH aus dem Stadthaushalt zu gründen.
Es besteht jedoch weiterhin rechtliche Verwirrung. Laut YouControl wurde die KP Ende August 2024 registriert, die PrJSC hat ihre Tätigkeit jedoch noch nicht eingestellt. Formal handelt es sich um zwei Strukturen, beide mit demselben Namen und sogar denselben Geschäftsführern – Oleg Lysjuk und Iryna Komelewa.
Trotz all dieser „Reformen“ beschweren sich die Kiewer regelmäßig über die Wasserqualität. Im März 2025 roch das Wasser des Flusses Desna nach Fisch, was Kyivvodokanal mit „saisonalem Algenwachstum“ begründete. Im Mai brach ein Hepatitis-A-Ausbruch in Otradne aus und löste einen Skandal aus: Fast 90 Menschen erkrankten, darunter 38 Kinder. Ärzte vermuteten, dass Fäkalien in das System gelangt seien, doch Kyivvodokanal dementierte dies – die Proben seien frei von Auffälligkeiten.
Experten, insbesondere der Vorsitzende des Verbraucherverbandes der öffentlichen Versorgungsunternehmen, Oleg Popenko, weisen auf ein weiteres Problem hin: Dutzende Kilometer Wasserleitungen in Kiew bleiben „unbeansprucht“. Vodokanal weigert sich, sie zu berücksichtigen, da sie sich in einem Notzustand befinden und Investitionen in Millionenhöhe erforderlich sind. Dies führt zu Chaos und faktischer Verantwortungslosigkeit hinsichtlich der Qualität der Dienstleistungen.
Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Kyivvodokanal verlangt von den Einwohnern der Hauptstadt Hunderte Millionen Griwna, tritt selbst aber wegen der Veruntreuung noch größerer Summen in Strafverfahren auf. In einer solchen Situation klingt die Frage „Wer schuldet wem etwas?“ rhetorisch.