Europäische Staaten haben öffentlich ihre starke Unterstützung für die Ukraine bekundet, doch es fehlt ihnen eine eigene Strategie, den Krieg ohne wirtschaftlichen und politischen Druck der USA auf Russland zu beenden. Dies birgt Risiken, da die Position von US-Präsident Donald Trump in der Ukraine-Frage weiterhin unberechenbar ist, berichtet die New York Times.
Laut der Veröffentlichung betonen europäische Beamte, dass Sicherheitsgarantien für die Ukraine ein Schlüsselfaktor in künftigen Friedensgesprächen sein sollten. Sie glauben, dass verlässliche Garantien Kiew dazu bewegen könnten, schwierige Kompromisse einzugehen, darunter die Abtretung einiger Gebiete an Russland. Gleichzeitig sind die Vereinigten Staaten noch nicht bereit, klare Zusagen zur Unterstützung der Ukraine zu machen oder sich an der Schaffung gemeinsamer europäischer Streitkräfte zu beteiligen.
Die Diskussionen werden zusätzlich durch die Position des russischen Präsidenten Wladimir Putin erschwert, der die Möglichkeit einer NATO-Militärpräsenz in der Ukraine auch in der Nachkriegszeit kategorisch ablehnt, wodurch viele europäische Pläne nahezu unrealistisch werden.
Vor diesem Hintergrund suchen europäische Staats- und Regierungschefs nach einem Weg, Trump zu einem gemäßigteren Kurs gegenüber Kiew zu bewegen. Laut dem Bericht erwägt die EU ein Treffen von Vertretern der Ukraine, Europas und der USA, um einen gemeinsamen Friedensvorschlag zu erarbeiten, der Moskau später vorgelegt werden soll. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor erklärt, Kiew könne seinen aktualisierten Friedensplan bereits am 10. Dezember in Washington einreichen.
Trotz diplomatischer Bemühungen ist sich Europa bewusst, dass sich die Verbündeten auf ein Szenario vorbereiten müssen, in dem sie Russland allein bekämpfen und eindämmen müssen. Hochrangige NATO-Vertreter beobachten den schrittweisen Abzug der amerikanischen Truppen aus Europa genau. Obwohl noch etwa 79.000 US-Soldaten in der Region stationiert sind, können die europäischen Armeen die wichtigsten Fähigkeiten des amerikanischen Militärs – von Satellitenaufklärung über Führungs- und Kontrollsysteme bis hin zu präzisionsgelenkten Langstreckenwaffen – nicht so schnell ersetzen.
Europäische Regierungsvertreter räumen ein, dass die Schwäche der russischen Rüstungsindustrie weiterhin eine zentrale Herausforderung darstellt. Es wird Jahre dauern, die Waffenproduktion in großem Umfang zu steigern. Analysten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft schätzen, dass Russland monatlich etwa 150 Panzer, 550 Schützenpanzer, über hundert Lancet-Drohnen und Dutzende Artilleriesysteme produziert. Kein anderes europäisches Land kann dieses Produktionstempo auch nur annähernd erreichen.
In einem Kommentar für die New York Times betonte Anna Wieslander, Direktorin für Nordeuropa beim Atlantic Council, dass die Ukraine ein wichtiges Bollwerk gegen weitere Aggressionen Russlands darstelle. Sie merkte an, Europa müsse entweder jetzt größere Risiken eingehen oder in Zukunft einen viel höheren Preis zahlen.
Die Publikation kommt zu dem Schluss: Die Europäische Union steht heute vor einer strategischen Herausforderung – wie kann sie die Ukraine und ihre eigene Sicherheit schützen, wenn die USA ihre Rolle im Krieg reduzieren?

