Es gibt eine Ernte, aber keine Lagerkapazitäten: Warum wird das Borschtsch-Set fast zum Selbstkostenpreis verkauft?

Bis Ende des Jahres müssen Ukrainer nicht mit einem starken Preisanstieg bei den wichtigsten Gemüsesorten für Borschtsch – Kartoffeln, Karotten, Rote Bete, Zwiebeln und Kohl – rechnen. Laut Taras Bashtannyk, Präsident des Ukrainischen Obst- und Gemüseverbands, werden diese Gemüsesorten derzeit „praktisch zum Selbstkostenpreis“ verkauft, also für etwa 10 Hrywnja pro Kilogramm, und diese Preissituation wird sich zumindest in den kommenden Monaten nicht ändern. Er erklärt dies weniger mit der Ernte, sondern vielmehr mit den fehlenden normalen Lagerbedingungen: Die Bauern verkaufen lieber jetzt billiger, als später alles zu riskieren.

Der Markt für Grundnahrungsmittel ist derzeit regelrecht überschwemmt. Laut Taras Bashtannyk bieten Bauern Kartoffeln, Karotten, Rote Bete, Kohl und Zwiebeln zu Preisen von bis zu 10 Hrywnja pro Kilogramm an – und das ist der Selbstkostenpreis. Der Grund dafür ist simpel und zugleich systembedingt: In der Ukraine herrscht ein chronischer Mangel an Lagerkapazitäten für Borschtsch. Die meisten Klein- und Mittelbauern scheuen das Risiko, das Gemüse bis zum Winter zu lagern, da es keine Garantie für stabile Lichtverhältnisse, Temperatur und Sicherheit gibt. Deshalb verkaufen sie ihre Ernte sofort, selbst unter Wert, nur um überhaupt etwas Geld zu verdienen und die Ware nicht zu verlieren.

Bashtannyk betont, dass der aktuelle Preis eine direkte Folge der Überproduktion der letzten Saison ist. Im vergangenen Jahr stieg der Preis für Borschtsch stark an, weshalb viele Betriebe in diesem Jahr die Anbaufläche für Kartoffeln, Kohl und Zwiebeln vergrößerten. Dadurch entstand ein Überangebot und überhöhte Preise. Laut dem Experten betrifft dies alle wichtigen Gemüsesorten – es geht also nicht nur um eine einzelne Sorte, sondern um das gesamte Sortiment.

Ein weiterer Aspekt ist die Lagerung. In Kriegszeiten müssen Landwirte neben Stromversorgung, Sicherheit und Logistik auch das direkte Risiko von Angriffen auf die Infrastruktur tragen. Um nicht in energieintensive Langzeitlagerung investieren zu müssen, verkaufen Kleinproduzenten ihre Ernte sofort. Dies drückt die Preise auf dem Inlandsmarkt künstlich nach unten und verhindert Preissteigerungen.

Gleichzeitig wird die Nachfrage nach Borschtsch in der Ukraine fast ausschließlich im Inland gedeckt. Wie Analysten erklären, sind die Zutaten für Borschtsch traditionell ein heimisches Produkt: Entweder decken wir unseren Bedarf selbst, oder, falls es in einer Region zu einem plötzlichen Ernteausfall kommt, erhöhen wir gezielt die Importe aus Polen, Moldawien, Rumänien oder sogar den Niederlanden. Das heißt, weder die Rekordkartoffelernte in der EU in dieser Saison noch Ernteausfälle im Ausland beeinflussen unsere Preise wesentlich. Der ukrainische Borschtschmarkt folgt dem Prinzip: „Wie viel hier geerntet wird, so viel bestimmt den Preis.“

Die Nationalbank der Ukraine bestätigt diesen Trend. Laut ihrem Inflationsbericht vom Oktober dürften Kartoffeln und anderes Gemüse für Borschtsch in der Ukraine in den nächsten drei Quartalen (also etwa neun Monaten) günstiger bleiben als im Vorjahr. Die Zentralbank begründet dies mit guten Ernten und einem Überangebot, darunter auch Produkte durchschnittlicher Qualität, die die Landwirte nicht lange lagern können und daher gezwungen sind, zu einem Mindestpreis auf den Markt zu bringen. So fielen beispielsweise die Zwiebelpreise in diesem Herbst auf den niedrigsten Stand seit Anfang 2022.

Gleichzeitig gibt es aber eine wichtige Einschränkung: Nicht alle Gemüsesorten verhalten sich gleich. Gewächshausgemüse wird bereits teurer: Tomaten und Gurken verteuern sich nach dem Ende der Freilandsaison und dem Rückgang der Lieferungen aus den Gewächshäusern. Das heißt, „günstiger Borschtsch“ ist zwar möglich, aber „günstiger Salat mit Tomaten im Winter“ eher nicht. Das ist klassische Saisonalität: Gewächshausgemüse wird dann fast schon zur Delikatesse.

Was bedeutet das nun für den Verbraucher? Erstens: Borschtsch-Sets gehören bis zum Jahresende zu den wenigen Produkten, die den Geldbeutel nicht so stark belasten. Zweitens: Kartoffeln, Zwiebeln oder Kohl auf Vorrat zu kaufen, ist sinnvoll, aber mit einer wichtigen Einschränkung: Die Lagerbedingungen in Wohnung oder Keller spielen eine entscheidende Rolle. Mangelnde Lagermöglichkeiten zwingen Landwirte dazu, Waren wegzuwerfen, und genau das kann im Spätwinter zu lokalen Engpässen bei Qualitätsprodukten führen. Landwirtschaftliche Verbände weisen ebenfalls darauf hin und warnen davor, dass nach dem Angebotshöhepunkt aufgrund der Lagerkosten allmählich ein leichter Preisanstieg zu erwarten ist.

Gleichzeitig geht die NBU davon aus, dass die generell niedrigen Preise für Borschtsch und Kartoffeln dazu beitragen werden, die Lebensmittelinflation Anfang 2026 einzudämmen. Für die Haushaltsbudgets bedeutet dies ganz einfach: Wesentliche Grundnahrungsmittel (Borschtsch, Suppe, Beilagen) werden relativ erschwinglich sein, auch wenn Obst und Gewächshausgemüse teurer bleiben.

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