Experimente an Mäusen haben gezeigt, dass die Infektion männlicher Mäuse mit SARS-CoV-2 die Zusammensetzung ihrer Spermien verändert und Verhaltensänderungen bei ihren Nachkommen verursacht. Die Arbeit gibt Anlass zur Sorge über die möglichen Langzeitfolgen von COVID-19 auf Generationen, doch bisher beziehen sich alle Erkenntnisse nur auf Nagetiermodelle.
Das Team unter der Leitung von Professor Anthony Hannan infizierte männliche Mäuse mit einer an Nagetiere angepassten Version von SARS-CoV-2 in Dosen mittlerer bis hoher Infektiosität. Vier Wochen nach der Genesung – als das Virus nicht mehr nachweisbar war – wurden diese Männchen mit nicht infizierten Weibchen gepaart. Anschließend führten die Forscher eine Reihe von Verhaltenstests an den erwachsenen Nachkommen durch und maßen Angstzustände, depressive Reaktionen, Lernfähigkeit und Gedächtnis. Nachkommen infizierter Eltern zeigten im Vergleich zu Kontrollgruppen vermehrt angstähnliches Verhalten; bei den Weibchen zeigten sich zudem Veränderungen der Genexpression im Hippocampus, einer für Gedächtnis und Emotionen wichtigen Hirnregion.
Der Mechanismus hinter diesen Effekten hängt mit epigenetischen Veränderungen im Sperma zusammen. COVID-19 veränderte eine Reihe kleiner nicht-kodierender RNA-Moleküle in männlichen Spermien. Diese Moleküle wurden bereits als in der Lage identifiziert, Informationen über die Erfahrungen der Eltern zu „übermitteln“ und die Gehirnentwicklung der Nachkommen zu beeinflussen. Die Forscher erhielten auch „Enkelnachkommen“ (zweite Generation): Sie stellten einen Rückgang der Anzahl der Würfe und des Gewichts der Mäuse fest, bei den „Enkelkindern“ wurden jedoch keine signifikanten Verhaltensauffälligkeiten festgestellt.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Studie an Mäusen durchgeführt wurde und nicht direkt auf den Menschen übertragbar ist. Bisherige Daten zur Persistenz von Spermienveränderungen nach SARS-CoV-2 (bis zu etwa 110 Tage) und die Ergebnisse dieser Arbeit bilden jedoch zusammen die Grundlage für weitere Studien am Menschen. Wissenschaftler fordern eine gründliche Untersuchung der Spermien und der Entwicklung von Nachkommen von Menschen, die COVID-19 hatten, um herauszufinden, ob bei uns ähnliche Mechanismen am Werk sind.
Die Arbeit von Hannan und Kollegen widerlegt daher die einfache Vorstellung, die Auswirkungen einer Infektion seien auf das betroffene Individuum beschränkt: Im Mausmodell kann eine väterliche Infektion einen „Fingerabdruck“ im Sperma hinterlassen und die nächste Generation beeinträchtigen. Der nächste Schritt sind umfangreiche und sorgfältig konzipierte klinische und epidemiologische Studien, die zeigen sollen, ob diese beunruhigende Aussicht praktische Auswirkungen auf die Menschheit hat.