Die Europäische Union steht vor einer der wichtigsten Wochen der letzten Jahre. Brüssel und andere europäische Hauptstädte bereiten sich auf einen großangelegten diplomatischen Kampf vor, der darüber entscheiden wird, ob Europa seine Einheit bewahren und dem Druck der USA und Russlands standhalten kann, der einen demütigenden „Friedensplan“ für die Ukraine durchsetzen will. Parallel dazu versucht die EU, das Abkommen über den sogenannten „Reparationskredit“ zu retten – einen Mechanismus zur Verwendung der Erlöse aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten im Wert von 185 Milliarden Euro. Dies berichtet Politico.
Die kommenden Tage werden eine Bewährungsprobe für die europäischen Staats- und Regierungschefs darstellen, heißt es in dem Bericht. Heute treffen sie sich in Berlin mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und amerikanischen Vertretern, um Washington von der Unannehmbarkeit des vorgeschlagenen Siedlungsplans zu überzeugen. Dieser Plan sieht Berichten zufolge tatsächliche Gebietsabtretungen Russlands und die Schaffung einer entmilitarisierten „Freien Wirtschaftszone“ in den besetzten Gebieten vor, in der amerikanische Wirtschaftsinteressen operieren könnten. Die Ukraine hat diesen Vorschlag kategorisch abgelehnt, und Europa hat sich gegen jegliche Entscheidungen bezüglich der Gebiete ohne Sicherheitsgarantien für Kiew ausgesprochen.
In Brüssel bemühen sich Außenminister und Diplomaten derweil um die Überzeugung einer wachsenden Zahl von EU-Regierungen, die sich gegen einen Mechanismus zur Finanzierung der Ukraine durch die Erlöse eingefrorener russischer Vermögenswerte aussprechen. Bis Donnerstag, wenn alle 27 Staats- und Regierungschefs zum Gipfeltreffen in Brüssel eintreffen, muss die EU das Abkommen entweder retten oder einer echten politischen Krise ins Auge sehen.
Politico berichtet, dass derzeit hinter den Kulissen „Diplomatie in letzter Minute“ betrieben wird. Die Staats- und Regierungschefs Großbritanniens, Deutschlands und möglicherweise Frankreichs sowie Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und sein Sondergesandter Steve Witkoff planen ein Treffen mit Selenskyj in Berlin. Die Teilnahme zahlreicher Regierungschefs und Vertreter der EU und der NATO wurde vom Pressesprecher des deutschen Bundeskanzlers, Stefan Cornelius, bekannt gegeben. Ein europäischer Beamter erklärte, weitere Uneinigkeit in Europa in dieser Woche wäre „ein katastrophales Signal an die Ukraine“ und würde der Europäischen Union selbst einen schweren Schlag versetzen.
Die Territorialfrage bleibt eine der heikelsten. Europäische Länder beharren darauf, dass ohne Sicherheitsgarantien für die Ukraine keine Fortschritte in dieser Richtung möglich sind. Die Vereinigten Staaten drängen laut Quellen weiterhin auf mögliche Zugeständnisse, was zu Spannungen zwischen Washington und den europäischen Hauptstädten führt.
Die Situation um den „Reparationskredit“ ist ebenfalls kompliziert. Seit Monaten versucht die EU, den belgischen Premierminister Bart de Wever von einem Plan zu überzeugen, die Gewinne aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten zugunsten der Ukraine zu verwenden. Kürzlich unterstützte Italien – die drittgrößte Volkswirtschaft der EU – Belgiens Position und forderte alternative Finanzierungsmöglichkeiten. Auch der neue tschechische Premierminister Andrej Babiš sprach sich dagegen aus. Laut Politico bilden Ungarn und die Slowakei selbst im Falle ihres Beitritts keine blockierende Minderheit, doch ihre öffentliche Kritik gefährdet die politische Einigung.
Trotz der Schwierigkeiten beharren Beamte in Brüssel darauf, dass es noch keine Alternativen zu „Plan A“ gibt. Ein deutscher Beamter bezeichnete die Entscheidung über die Vermögenswerte als „eine Entscheidung über die Zukunft Europas“, die darüber entscheiden werde, ob die EU weiterhin eine bedeutende geopolitische Rolle spielt. „Es gibt keine Option B“, betonte er.
Es stehen mehrere Tage komplexer Diplomatie bevor, die zeigen werden, ob Europa in der Lage ist, als geeinte Front aufzutreten, in einer Zeit, in der nicht nur die Unterstützung für die Ukraine, sondern auch sein eigenes politisches Gewicht in der Welt auf dem Spiel steht.

