Experten in Großbritannien schlagen Alarm wegen der rasanten Ausbreitung eines neuen, mutierten H3N2-Grippevirus, der bereits als einer der gefährlichsten der letzten Jahre gilt. Laut britischen Medien und Wissenschaftlern hat sich das Virus im Laufe des Sommers sieben Mal verändert und ist dadurch aggressiver geworden. Der aktuelle saisonale Impfstoff, dessen Zusammensetzung im Februar zugelassen wurde, bietet möglicherweise keinen vollständigen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen.
Obwohl die Grippesaison im Winter ein saisonales Phänomen ist, hat der aktuelle Anstieg in Großbritannien früher als üblich eingesetzt. Offizielle Zahlen zeigen, dass die Infektionsrate bereits mehr als dreimal so hoch ist wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Besonders betroffen sind Schulkinder, bei denen der stärkste Anstieg der Fälle verzeichnet wurde.
Der Geschäftsführer des britischen Gesundheitsdienstes NHS England, Sir Jim Mackie, warnte, dass dieser Winter „zweifellos“ einer der schwierigsten für das britische Gesundheitssystem werden könnte, da die Krankenhäuser bereits jetzt bis an ihre Grenzen ausgelastet seien, die Wartelisten für planbare Behandlungen immer länger würden und Patienten gezwungen seien, stundenlang in Notaufnahmen auf Hilfe zu warten.
Laut Virologen liegt das Hauptproblem im H3N2-Virusstamm, der im Laufe des Sommers sieben genetische Veränderungen durchlaufen hat. Diese Mutationen haben ihn „heißer“ und „aggressiver“ gemacht, d. h. er kann insbesondere bei älteren Patienten und Menschen mit chronischen Erkrankungen einen schwereren Krankheitsverlauf hervorrufen. Professorin Nicola Lewis, Direktorin des Globalen Influenzazentrums am Francis Crick Institute in London, betonte in einem Interview mit der BBC, dass H3 traditionell als „heißeres“ und „wirkungsvolleres“ Virus gilt und die aktuelle Entwicklung atypisch sei und ihr große Sorgen bereite.
Ein zusätzliches Risiko besteht darin, dass sich die neue H3N2-Variante deutlich von den in den letzten Jahren in Großbritannien zirkulierenden Stämmen unterscheidet. Dies bedeutet, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung keine ausreichende Kreuzimmunität aufweist: Der Körper erkennt das Virus schlichtweg nicht, selbst wenn eine Person bereits zuvor an Grippe erkrankt war oder in früheren Grippesaisons geimpft wurde.
Die Zusammensetzung des saisonalen Grippeimpfstoffs wird traditionell im Winter – im Februar – festgelegt, damit die Hersteller bis zum Herbst Millionen von Dosen produzieren können. Da die mutierte Variante H3N2 jedoch erst im Juni auftrat, bietet der aktuelle Impfstoff laut Experten keinen optimalen Schutz gegen diesen Stamm. Trotzdem betonen Epidemiologen die entscheidende Bedeutung der Impfung: Sie kann den Krankheitsverlauf deutlich abmildern, das Risiko schwerer Komplikationen wie Lungenentzündung, Sepsis oder Herzmuskelentzündung verringern und die Zahl der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle reduzieren.
Die Symptome der H3N2-Grippe ähneln im Allgemeinen denen anderer saisonaler Grippeviren: plötzliches hohes Fieber, starke Muskel- und Gelenkschmerzen, ausgeprägte Schwäche und Müdigkeit. Ärzte warnen jedoch, dass der Verlauf schwerwiegender und die Genesung länger dauern kann, insbesondere bei Risikogruppen. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass sich der neue Grippestamm schneller als üblich ausbreitet.
Experten schätzen, dass die Basisreproduktionszahl (R) für Grippe in Großbritannien normalerweise bei etwa 1,2 liegt – das bedeutet, dass 100 Infizierte das Virus an etwa 120 weitere Personen weitergeben. Für diese Saison deuten vorläufige Schätzungen auf eine R-Zahl von 1,4 hin – das heißt, dieselben 100 Personen könnten 140 weitere Personen anstecken, was den Anstieg der Fälle deutlich beschleunigen und das Gesundheitssystem stark belasten würde.
Angesichts eines möglichen sprunghaften Anstiegs der Krankenhauseinweisungen haben britische Behörden bereits einen faktischen Impfalzfall ausgerufen. Ärzte appellieren dringend an alle Impfberechtigten, sich impfen zu lassen, insbesondere an ältere Menschen, Risikogruppen und Kinder. Laut ihren Aussagen könnte selbst der Teilschutz, den der aktuelle Impfstoff gegen neue Subtypen bietet, entscheidend dazu beitragen, Tausende unnötiger Todesfälle in diesem Winter zu verhindern.

