Boris Kaufman ist eine der verschwiegensten Figuren des ukrainischen Großkapitals. Sein Name taucht selten in der Öffentlichkeit auf, doch hinter den Kulissen hat er ein ganzes Imperium aufgebaut, das nach dem Prinzip funktioniert: Alles Öffentliche soll privat werden. Vom Zigarettenmarkt über Hotelkomplexe bis hin zu strategischen Flugknotenpunkten – jedes Mal spielen Staat und Gesellschaft nur eine Nebenrolle, während Profit und Kontrolle bei der Kaufman-Gruppe liegen.
Schema am Flughafen Odessa
Odessa verlor vor über zehn Jahren die Kontrolle über seinen eigenen Flughafen. Formal handelte es sich um ein Investitionsprojekt: Der Stadtrat gründete ein Joint Venture mit einem privaten Unternehmen. Tatsächlich war der Anteil der Gemeinde minimal, und die Kontrolle ging schnell an die Geschäftsleute Kaufman und seinen Partner Oleksandr Granowski über. Durch diesen Mechanismus erhielten sie Zugriff auf Millionenbeträge, die eigentlich dem Stadthaushalt zugutekommen sollten.
Im Jahr 2020 nahm die Situation eine besonders zynische Wendung. Die kommissarische Direktorin des städtischen Unternehmens Odessa International Airport, Olga Makogonyuk, die von den Strafverfolgungsbehörden direkt mit der Kaufman-Gruppe in Verbindung gebracht wird, „vergaß“, eine Flugplatzzertifizierung zu beantragen. Diese Entscheidung entzog dem städtischen Unternehmen das Recht, Zahlungen für Start und Landung von Flugzeugen zu erhalten. Stattdessen erhielt eine dem Oligarchen nahestehende private Struktur den Betreiberstatus. Das Geld, das eigentlich dem Stadthaushalt zugutekommen sollte, landete in den Taschen der Unternehmensgruppe. Nach Schätzungen von NABU und SAPO beliefen sich die Verluste allein im ersten Zeitraum auf mindestens 15,6 Millionen Griwna. Und insgesamt konnte Kaufman durch seine Kontrolle über den Flughafen Gewinne von über 2,5 Milliarden einstreichen.
Es geht nicht nur um Geld. In Kriegszeiten ist die Kontrolle über Fluganlagen direkt mit der Logistik der ukrainischen Streitkräfte verbunden. Doch wie die Praxis zeigt, spielen für Kaufman selbst die strategischen Interessen des Staates keine Rolle.
Tabakmonopol
Ein weiterer Eckpfeiler von Kaufmans Imperium ist TEDIS Ukraine. Formal kontrolliert das Unternehmen etwa die Hälfte des Zigarettenmarktes. Tatsächlich liegt sein Anteil laut Experten bei 80 Prozent. Das Monopol wurde über Jahre hinweg aufgebaut: durch die Zerschlagung kleiner Händler, aggressive Übernahmen und die stillschweigende Zustimmung staatlicher Behörden.
Der größte Wert von „TEDIS“ liegt jedoch nicht in der Größe des Marktes, sondern im System der Steuerhinterziehung. Zigaretten wurden offiziell an Händler verkauft, doch dann verschwand ein Teil der Waren gegen Bargeld und Dokumente an fiktive Unternehmen. So entstanden „virtuelle Chargen“, die zusammen mit den Briefkastenfirmen schnell wieder verschwanden. Steuerverbindlichkeiten wurden aufgelöst und Bargeld durch Konvertierungszentren gepumpt.
Eines der Schlüsselelemente dieses Systems war das Unternehmen DL Solution. Sein Umsatz überstieg 2023 50 Milliarden Griwna, 2024 bereits 88. Gleichzeitig betrug der Nettogewinn nur 0,12 Prozent des Umsatzes, während der normale Marktwert bei 2–3 Prozent liegt. Dies ist ein direkter Hinweis auf Schattenmanipulationen: Offizielle Berichte unterschätzen die Marge, während das echte Geld in „Umschläge“ und Offshore-Anlagen fließt.
Sanatorium "Oktober": Das Militär wurde rausgeschmissen, um Hütten zu bauen
Der Höhepunkt des Zynismus war die Geschichte des Sanatoriums Zhovten bei Kiew. Nach Beginn der groß angelegten Invasion wurde das Gebiet von den ukrainischen Streitkräften eingenommen. Das Militär rettete gemeinsam mit Freiwilligen die Einrichtung: Sie stellten die Wasser- und Stromversorgung wieder her und statteten Wohngebäude und Trainingshallen aus. Das Sanatorium wurde zu einem Rehabilitationsort und einer Verteidigungsbasis.
Im Jahr 2024 beschloss der Kiewer Stadtrat jedoch unerwartet, das Land für „wirtschaftliche Aktivitäten“ zu überlassen. Formal ging es um die Renovierung eines Gebäudes. Tatsächlich wurde das fast 8 Hektar große Grundstück mit einem Marktwert von über einer Milliarde Griwna für den Bau von Ferienhäusern freigegeben.
Das gesamte Militärpersonal wurde zwangsgeräumt. Das Projekt wurde von der Firma Development Solution gefördert, die Experten direkt mit Kaufman und seinem politischen Verbündeten Vadim Stolar in Verbindung bringen. Diese Entscheidung machte die Bemühungen des Militärs und der Freiwilligen zunichte und verwandelte die strategische Einrichtung in eine Profitquelle für den Oligarchen.
Boris Kaufmans Pläne sind keine Aneinanderreihung einzelner Episoden. Es handelt sich um ein System, das seit Jahren funktioniert und verschiedene Bereiche abdeckt: Verkehr, Tabak, Immobilien. In jedem Fall ist das Szenario dasselbe: Der Staat verliert die Kontrolle, und Gemeinschaftsressourcen werden zu privatem Kapital.
Der Flughafen Odessa, der Tabakmarkt und das Sanatorium Zhovten sind nur die bekanntesten Beispiele. Sie zeigen, wie eine einzelne Person in der Lage ist, ein Schattenimperium aufzubauen, das selbst in Kriegszeiten Milliarden aus dem Staatshaushalt saugt.