Laut Oleksandr Ignatiev, Vorstandsvorsitzender des Ukrainischen Verbandes für Erneuerbare Energien, könnte es in der Ukraine auch nach Kriegsende weiterhin zu Stromausfällen kommen. Seinen Angaben zufolge befindet sich das Stromnetz des Landes in einem so schlechten Zustand, dass eine vollständige und stabile Stromversorgung jahrelange Sanierungsarbeiten und Investitionen erfordern wird.
Der Experte betont: Selbst nach dem Ende der Angriffe auf die Energieinfrastruktur wird die Ukraine mit einer Reihe systemischer Probleme zu kämpfen haben, die eine schnelle Rückkehr zu einer stabilen Energieversorgung verhindern. Zu den Schlüsselfaktoren zählt das nahezu vollständige Fehlen betriebsbereiter Kohlekraftwerke. Die meisten sind zerstört oder schwer beschädigt, einige werden besetzt. KWK-Anlagen waren insbesondere in Spitzenzeiten und im Winter eine wichtige Säule des Energiesystems, und ihr Ausfall führt zu einem langfristigen strukturellen Kapazitätsdefizit.
Nicht weniger gravierend ist das Problem der Kohleknappheit. Die Ukraine verfügt nicht über ausreichende Reserven, und die Importlogistik bleibt teuer und begrenzt. Ohne eine stabile Brennstoffversorgung wird es schwierig sein, selbst jene Blockheizkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen, die repariert werden können.
Ein weiterer Faktor sind die erzwungenen Beschränkungen der Kernenergieerzeugung. Ukrenergo und die Betreiber von Kernkraftwerken haben wiederholt berichtet, dass Kernkraftwerke aufgrund von Netzschäden, unzureichender Kapazität und Risiken für die Anlagensicherheit nicht mit voller Auslegungsleistung betrieben werden können. Dadurch fehlen der Erzeugungskapazität zusätzliche Gigawatt, die im Frieden die Grundlage des Stromsystems bilden würden.
Laut Ignatiev wird das Land ohne einen umfassenden Wiederaufbau der Stromnetze, die Wiederherstellung der thermischen Stromerzeugung, die Modernisierung der Kernkraftwerke und den Ausbau erneuerbarer Energien keine stabile Stromversorgung gewährleisten können. Daher könnten Einschränkungen und Abschaltungen auch nach einem Sieg immer wieder auftreten.
Trotzdem betonen Experten: Die Situation ist nicht hoffnungslos. Die Ukraine hat das Potenzial für eine rasche Entwicklung erneuerbarer Energien, die Integration neuer Energiespeichertechnologien, die Modernisierung der Netze und die Gewinnung von Investitionen durch europäische Programme. Dieser Prozess erfordert jedoch Zeit, politischen Willen und eine strategische Herangehensweise.

