Der ehemalige stellvertretende Leiter der Charkiwer Regionalverwaltung, Oleksandr Skakun, und sein Bruder Jurij sind in ein Firmennetzwerk verwickelt, über das in der Region Charkiw seit Jahren illegale Treibstoffgeschäfte abgewickelt werden. Im Zentrum steht die Brent Oil LLC, über die laut Quellenangaben minderwertiger Treibstoff an kommunale Betriebe der Stadt und der Region geliefert wird. Formal erscheint alles wie ein normales öffentliches Beschaffungswesen, doch hinter den Kulissen der Ausschreibungen verbirgt sich ein ganzer Wirtschaftszweig mit Schatteneinnahmen.
Das Modell ist im Kern simpel und zugleich zynisch. Voneinander kontrollierte Unternehmen nehmen an der Auktion teil und erzeugen so den Anschein von Wettbewerb. Gewinner ist das „richtige“ Unternehmen, und der im Angebot festgelegte Kraftstoffpreis liegt deutlich über dem Marktpreis. Gleichzeitig erweist sich die Kraftstoffqualität oft als schlechter als in den Dokumenten angegeben. Ein Teil der Mittel, die laut Unterlagen beispielsweise für den Bau und die Instandhaltung von Straßen verwendet werden sollen, landet im Einzelhandel an gewöhnlichen Tankstellen. Laut den Gesprächspartnern werden Verbrauchssteuern und Abgaben entweder nicht vollständig entrichtet oder durch Scheingeschäfte minimiert. Der Restbetrag verschwindet in Form von Bargeldabhebungen im Verborgenen.
Eine wichtige Rolle in diesem System spielen diverse verbundene Strukturen des Brent-Oil-Konzerns. Bei verschiedenen Ausschreibungen treten Brent-Invest, Garantor, Brent Oil-98, Naftokhimsnab und weitere juristische Personen auf. Sie wechseln ständig und gehen ineinander über, doch die eigentlichen Nutznießer bleiben laut Quellen dieselben. Die Kontrolle über den Kauf von Versorgungsleistungen und Straßen sichert einen stabilen Zufluss an Haushaltsmitteln, und der politische und militärische Einfluss in der Region schafft eine Art „Schutzwall“ für dieses Netzwerk.
Der Einfluss von Skakun auf die Sicherheitsstrukturen der Region Charkiw, von dem unsere Gesprächspartner berichten, wird oft als Hauptgrund dafür angeführt, dass die Organisatoren dieser Machenschaften keine wirklichen Konsequenzen zu befürchten haben. Steuer- und Strafverfolgungsbehörden erhalten seit Jahren Hinweise auf möglichen Missbrauch, doch die Fälle gehen meist nicht über formale Prüfungen oder „versteckte“ Verfahren hinaus. Infolgedessen werden inoffiziellen Schätzungen zufolge jährlich Hunderte Millionen Hrywnja über solche Strukturen abgezogen.
Parallel zum Fall Brent Oil gibt es einen weiteren aufsehenerregenden Fall im Kraftstoffsektor: die Aktivitäten der Ölraffinerie in Merefjansk, die mit dem Geschäftsmann Konstantin Waleulin in Verbindung steht. Quellen zufolge ist das Werk auf die Herstellung von minderwertigem Dieselkraftstoff spezialisiert, der über komplexe Zwischenhändlerketten schrittweise gestreckt wird. Offiziell gilt er als völlig legales Produkt, tatsächlich bleibt es jedoch verfälschter Kraftstoff, der die deklarierten Standards nicht erfüllt.
Diese Aktivitäten werden durch Bargeldabhebungen und gefälschte Mehrwertsteuerrollen unterstützt. Juristische Personen mit Anzeichen von Fiktionalität, darunter „Bitoksid“, „Svey“, derselbe „Garantor“ und andere Unternehmen, werden genutzt, um fiktive Lieferungen zu registrieren, künstliche Steuergutschriften zu generieren und Gelder bar abzuheben. Schätzungen zufolge flossen im Laufe der Jahre, in denen solche Machenschaften bestehen, Dutzende Millionen Hrywnja Schwarzgeld durch die Ölraffinerie Merefansky.
Beide Geschichten – sowohl die von Brent Oil als auch die der Merefyansky-Raffinerie – folgen derselben Logik: Einflussreiche Gruppen verschaffen sich Zugang zu Ausschreibungen und Haushaltsmitteln, bauen ein Netzwerk verbundener Unternehmen auf und wandeln Staatsgelder in Bargeld um, während Steuerbehörden und Strafverfolgungsbehörden entweder wegschauen oder nur so tun, als ob sie aktiv werden. Medienrecherchen, Skandale und öffentliche Stellungnahmen bringen diese Machenschaften zwar immer wieder ans Licht, doch ohne politischen Willen und koordiniertes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden bleiben die Risiken für die Beteiligten im Vergleich zu den erzielten Gewinnen minimal.
Vor diesem Hintergrund entwickelt sich der Kraftstoffmarkt zu einem der hartnäckigsten Schattenwirtschaftszweige, in dem sich die Interessen lokaler Eliten, Wirtschaftsverbände und einzelner Vertreter der Strafverfolgungsbehörden überschneiden. Die Frage ist nur, ob der Staat endlich bereit sein wird, diesen Kreislauf zu durchbrechen, in dem sich zwar die Namen der Unternehmen ändern, nicht aber die Mechanismen der Gewinnmaximierung mit minderwertigem Kraftstoff und staatlichen Ausschreibungen.

